K U G E L B L I T Z

Kugelblitzbild - Foto Burger 1978

Haben Sie selbst einen Kugelblitz gesehen oder wissen von einer Beobachtung? Gibt es ein Foto oder Video zur Beobachtung?

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Die Entstehung von Kugelblitzen bleibt ein Rätsel der atmosphärischen Physik (Stenhoff, 1999). Sind es noch unerklärte Naturerscheinungen, Wirkungen gewöhnlicher Blitzschläge oder nur Sinnestäuschungen? Inzwischen sind seit Walther Brands erster Monografie "Der Kugelblitz" fast 100 Jahre vergangen (Brand, 1923, 2010). 1988 wurde die Forschungsgruppe ICBL (International Comitee on Ball Lightning) gegründet und hält regelmäßig Kongresse ab. Das technische Memorandum COST P18, unterzeichnet von den 30 führenden Blitzforschern Europas (Thottapillil 2005), erwähnt auch den Kugelblitz als Forschungsthema.

"Es dürfte Mitte August (1968) gewesen sein, als am Nachmittag, etwa 15 Uhr, im Raum Maria Wörth (Kärnten, Österreich) ein schweres Gewitter niederging. Wir befanden uns in der Villa Anna in unmittelbarer Nähe des Seeufers (Wörthersee). Nach einem heftigen Blitz und Donner (gleichzeitig) bewegte sich durch das Zimmer eine hell-leuchtende Kugel mit etwa 20 cm Durchmesser und einer Entladungscorona, zischend wie ein Weihnachtssternspritzer, zur offenen Balkontür, dann entlang des hölzernen Balkonpfeilers zum Boden und etwa 300 m auf die Seefläche hinaus, wo es zu einer nochmaligen Entladung mit Donnergeräusch kam. Die Bewegung der Kugel war stetig geradlinig und drehend ... etwa in Betthöhe über dem Fußboden. Wir saßen in ca. 1,5 m Entfernung. Nach meiner Erinnerung war die Kugel relativ scharf umrissen. Die Farbe würde ich als weißblau mit leicht rötlichem Stich bezeichnen. Am genannten Holzbalkonpfeiler gab es Brandspuren, d.h. an mehreren Stellen gloste das Holz. Im Zimmer roch es nach dieser Erscheinung nach "Schwefel". Meine Frau und ich wurden bei diesem Vorfall nicht verletzt, hatten jedoch einen gehörigen Schock."

Dieser Bericht von Alfred Geiswinkler, Diplomingenieur der Elektrotechnik, ehemaliger Technischer Direktor der Burgenländischen Elektrizitätswirtschafts-Aktiengesellschaft BEWAG, steht hier für tausende Augenzeugenberichte weltweit, die noch immer Wissenschaftler staunen lassen.

Kugelblitz Skizze Geiswinkler
Eigenhändige Beobachtungsskizze von DI.A.Geiswinkler

Die Forschungssituation beschrieb Prof.Martin A.Uman, Senior-Blitzexperte der Universität Florida, 1987 so: "Trotz des Reichtums ähnlicher Kugelblitz-Beobachtungen über einen Zeitraum von Jahrhunderten, Berichte, die wenig Zweifel an der Realität des Phänomens lassen, gibt es noch immer keinen Konsens über den physikalischen Mechanismus oder die Mechanismen, die für Kugelblitze verantwortlich sind" (S.23).

Der Göttinger Astrophysiker Axel Wittmann verfasste 1976 einen immer noch gültigen "Steckbrief" des Phänomens:

Der Verfasser dieser Zeilen, Meteorologe und Sozialwissenschaftler, betreibt seit 1974, also inzwischen über 45 Jahre, ehrenamtlich die Sammlung von Berichten und Felduntersuchungen. Als Zwischenbilanz wurden 400 Fallberichte aus Mitteleuropa, darunter 250 aus Österreich, statistisch ausgewertet (Keul & Stummer, 2002). Am kugelblitzreichsten erwiesen sich in Österreich die Steiermark, Nieder- und Oberösterreich. Männer berichteten gleich oft wie Frauen ihre Wahrnehmung; das Alter der BeobachterInnen lag zwischen 16 und 93. Die Fälle reichten quer durch das 20.Jahrhundert. 85% der Beobachtungen ereigneten sich im Sommer, 70% während Gewittern. In über 90% der Fälle wurde nur ein Objekt gesehen, und das in jedem zweiten Fall in weniger als fünf Meter (!) Entfernung, wobei es meist innerhalb von drei bis fünf Sekunden wieder verschwand. Die mittlere Größe lag bei 25–30 Zentimetern. 60% der Objekte leuchteten rot-orange-gelb. Jeder dritte Fall ereignete sich -zum Schrecken der BeobachterInnen - im Inneren von Gebäuden.

Augenzeugenberichte können erheblich voneinander abweichen. Wie sieht es mit "harten" physikalischen Beweisen aus? Ein US-Forschungsprojekt untersuchte das Fotomaterial des "Prairie Network", dessen Kameras nachts Meteoritenfälle festhielten, und fand unter 120.000 Blitzentladungen nur zwei Kugelblitze (Barry, 1980). Ein detailreiches Kugelblitz-Farbfoto auf einer Zeitaufnahme gelang 1978 Werner Burger aus St.Gallenkirch im Montafon, Vorarlberg (Keul, 1992).

Am 19. April 2003 wollten Sabine und Thomas Fuchs in Zwönitz, Sachsen, gegen 18 Uhr 45 mit ihrer Webcam Blitze filmen. Auf einer vier Minuten langen Aufnahme entdeckten sie im nachhinein ein Objekt, das binnen zweier Sekunden mit unruhiger Flugbahn über die Dächer aufstieg. Es war weißgelb und zeigte zwei Helligkeitsausbrüche. Medienexperten der FH Salzburg kontrollierten das Video auf Fälschungszeichen – es bestand den Test (Keul, 2004). Ein Kompositbild dazu, also eine Überlagerung einzelner Videobilder zu einer Spur, findet sich hier.

Kugelblitz Videofoto 2003

Das Blitzlehrbuch von Rakov und Uman (2003) listet in einem eigenen Kapitel über Kugelblitze 16 Erklärungsversuche auf: Elf Theorien mit innerer Energiequelle der Objekte (Verbrennung, Plasma, Wirbel, Ladungstrennung, Kernenergie) und fünf mit äußerer Energiequelle (EM-Feld, Erdfeld, kosmische Strahlung, Antimaterie). Um wirklich stimmig zu sein, sollte eine Erklärung zu den meisten Beobachtungen in der Natur passen, und das steht für viele noch aus. Der Moskauer Physiker Prof.Vladimir Bychkov, Vizepräsident des ICBL, findet, dass weiterer Fortschritt erzielbar sei, wenn man die Wechselwirkung von Kugelblitzen mit festen Materialien (Metall, Sand, Glas) näher betrachtet, wobei er als Kugelblitzmodell die Verbrennung fester Stoffe im Plasma bevorzugt (Bychkov et al., 2010).

Neben physikalischen Erklärungen wurde versucht, Kugelblitze als Sinnestäuschungen zu erklären. Der Schweizer Blitzforscher Prof.Karl Berger nahm eine Blendung des Auges durch einen nahen Blitz und sein Nachbild an (wobei sich dessen Farbe verändern und sich dieses Bild bei Augenbewegung mitbewegen müßte). Kugelblitze sollen nach anderen Autoren durch Blitze ausgelöste elektromagnetische Halluzinationen (Phosphene) des Gehirns sein (Cooray & Cooray, 2008). Doch hierzu fehlen noch experimentelle Befunde (Keul, Sauseng & Diendorfer, 2008).

Ein interessantes Feldexperiment stellten Martin Uman und Mitarbeiter in Florida an (Hill, Uman et al., 2010): Auf einer Raketenabschussrampe in Camp Blanding, mit der sich bei Gewitter Blitze künstlich auslösen lassen, wurden 2008 acht derart "getriggerte" Entladungen über eine Vielzahl vorbereiteter Materialien geleitet, z.B. Salzwasser, Siliziumplatten, Stahl oder Kiefernzweige. Dabei kam es eine halbe bis eine Sekunde lang zu Leuchterscheinungen durch Ionisation und Verbrennung. Die Forscher behaupten nicht, Kugelblitze erzeugt zu haben, aber beschrieben optische Effekte durch ganz verschiedene Ursachen.

Fortschritte in der Forschung gelangen durch Vergleich von Kugelblitzberichten mit genauer Orts- und Zeitangabe mit Messprotokollen der automatischen Blitzregistrierung - in Österreich ALDIS, in Deutschland BLIDS genannt. Für 34 mitteleuropäische Fälle 1994-2016 ergaben sich Treffer - dabei waren 19 mit dem Kugelblitz zeitgleiche Entladungen positiv (4-370 kA) und 15 negativ (-3 bis -37 kA). 28 waren Wolke-Erde- Blitze, sechs Wolke-Wolke-Entladungen. 28 der Treffer lagen im Sommer und nur sechs im Winter. Auffällig ist hier das Überwiegen positiver Blitze, die sonst eher im Winter auftreten (Keul & Diendorfer, 2018).

Zum Schluss etwas Literatur zum Thema:

Barry, J.D. (1980). Ball lightning and bead lightning. New York: Plenum.

Brand, W. (1923). Der Kugelblitz. Hamburg: Henri Grand.

Brand, W. (2010). Der Kugelblitz (reprint). Remagen-Oberwinter: Kessel.

Bychkov, V.L., Nikitin, A.I. & Dijkhuis, G.C. (2010). Ball lightning investigations. In V.L.Bychkov, G.V.Gulobkov & A.I.Nikitin (Eds.), The atmosphere and ionosphere. Physics of earth and space environments (pp.201-373). Dordrecht: Springer.

Cooray, G. & Corray, V. (2008). Could some ball lightning observations be optical hallucinations caused by epileptic seizures? The Open Atmospheric Science Journal, 2, 101-105.

Hill, J.D., Uman, M.A., Stapleton, M., Jordan, D.M., Chebaro, A.M. & Biagi, C.J. (2010). Attempts to create ball lightning with triggered lightning. Journal of Atmospheric and Solar-Terrestrial Physics, 72, 913-925.

Keul, A.G. (1980). Kugelblitze. Wetter und Leben, 32, 167–180, https://data.ccca.ac.at/dataset/wetter-und-leben-jahrgang-32_heft-3-v01.

Keul, A.G. (1981). Ball lightning reports. Naturwissenschaften, 68, 134–136, http://www.digizeitschriften.de/dms/img/?PID=PPN34557155X_0068%7CLOG_0032.

Keul, A.G. (1992): Possible ball lightning colour photograph from Sankt Gallenkirch, Vorarlberg, Austria. The International Journal of Meteorology, 17, 73–82, http://www.ijmet.org/wp-content/uploads/2016/05/167.pdf.

Keul, A.G. (Ed.). (1993). Progress in ball lightning research, Proceedings of the interdisciplinary congress Vizotum, Salzburg, Austria, Sep 20–22, 1993. Salzburg: Vizotum.

Keul, A.G. (2004). A possible ball lightning webcam record from Zwoenitz, Germany. The International Journal of Meteorology, 29, 168–173, http://www.ijmet.org/wp-content/uploads/2015/04/289.pdf.

Keul, A.G. & Diendorfer, G. (2018). Assessment of ball lightning cases by correlated LLS data. 34th International Conference on Lightning Protection, Rzeszow, Poland, 2–7 September 2018, https://www.researchgate.net/publication/328527399_Assessment_of_ball_lightning_cases_by_correlated_LLS_data.

Keul, A.G., Sauseng, P. & Diendorfer, G. (2008). Ball lightning – an electromagnetic hallucination? The International Journal of Meteorology, 33, 89-95, http://www.ijmet.org/wp-content/uploads/2015/04/327.pdf.

Keul, A.G. & Stummer, O. (2002). Comparative analysis of 405 Central European ball lightning cases. The International Journal of Meteorology, 27, 385–393, http://www.ijmet.org/wp-content/uploads/2016/09/274.pdf.

Keul, A.G. (2021). A brief history of ball lightning observations by scientists and trained professionals. History of Geo- and Space Sciences 12, 43-56, https://hgss.copernicus.org/articles/12/43/2021/

Rakov, V.A. & Uman, M.A. (2003). Lightning. Physics and effects. Cambridge, UK: Cambridge University Press.

Singer, S. (1971). The nature of ball lightning. New York: Plenum.

Smirnov, B.M. (1993). Physics of ball lightning. Physics Reports, 224, 151–236.

Stenhoff, M. (1999). Ball lightning. An unsolved problem in atmospheric physics. New York: Kluwer/Plenum.

Thottappillil, R. (2005). The physics of lightning flash and its effects. COST P18 proposal. Uppsala: Technical Annex.

Uman, M.A. (1987). The lightning discharge. Orlando, FL: Academic Press.

Wittmann, A. (1976). Gibt es Kugelblitze? Umschau in Wissenschaft und Technik 76, 516-521.

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Dr. Alexander Keul, Assoz.Prof.i.R.
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